Pressemitteilung | 16. Oktober 2024
Wie kann Bildungspolitik gegen Desinformation vorgehen?
Wie verankern wir Nachrichten- und Informationskompetenz in Lehrplänen und damit an unseren Schulen? Bei unserem Netzwerktreffen am 9. Oktober diskutierten über diese und andere damit verbundene Fragen rund 120 Personen aus den Bereichen Medien, Bildung, Politik und Wissenschaft in der Vertretung des Saarlands beim Bund in Berlin. Ziel war es, sich darüber auszutauschen, wie es gelingen kann, Schüler:innen für Nachrichten zu begeistern und sie zu befähigen, Quellen einzuschätzen und richtige von falschen Informationen unterscheiden zu können und sie so zu mündigen Bürger:innen zu machen.
Die Tagung stand unter dem Motto „Informiert und engagiert: Jugendliche durch Nachrichtenkompetenz stark machen“. In einer Podiumsdiskussion und acht verschiedenen Sessions wie „Social Media für Jugendliche: Ein Blick hinter die Kulissen“ oder „Und was geht mich das an? Wie wir gering informationsorientierte Jugendliche erreichen“ suchten die Teilnehmer:innen nach Lösungen, um junge Menschen zu erreichen, zu informieren und zu bilden.
Die Moderation der Veranstaltung übernahm Anna Albrecht, Nachrichtenjournalistin und Moderatorin bei der tagesschau.
Eröffnet wurde das Treffen durch Christine Streichert-Clivot, Ministerin für Bildung und Kultur des Saarlandes, die derzeit auch als Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) vorsitzt. Sie machte darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, Schüler:innen in das Thema einzubeziehen:
„Nicht jeder von uns ist bereits auf der Plattform TikTok unterwegs und nutzt sie. Das gilt wahrscheinlich für einen Teil der Menschen hier im Raum. Das gilt aber auch für unsere Lehrkräfte. Und trotzdem sind sie jeden Tag ganz aktiv damit beschäftigt, die Auswirkungen dieser Plattform in ihrem Klassenraum zu bearbeiten. Ich glaube, das ist die Riesenchance, Schülerinnen und Schüler zu Botschaftern aus dieser Welt zu machen, mit Ihnen gemeinsam in den Dialog einzusteigen.“
Medienbildung sei gleichzeitig Demokratiebildung:
„Wenn wir politische Medienbildung betrachten, dann geht es für mich auch immer um Demokratiebildung. Die KMK hat dankenswerterweise von der ständigen wissenschaftlichen Kommissionen vor einigen Monaten zum Thema Demokratiebildung noch mal eine Stellungnahme bekommen. Elemente dieser politischen Medienbildung finden sich auch in diesem Papier wieder und ich glaube es ist ein ganz wichtiges Papier. Da geht es nicht nur um das theoretische Wissen, wie wir es vielleicht oder Sie es noch in Ihrer Schule erlebt haben, wie wir Demokratie sozusagen in ‚Anführungsstrichen‘ erlernt haben. Es geht darum, Elemente der Mitbestimmung für Schülerinnen und Schülern sowie Eltern zu schaffen.“
Der Journalist und Buchautor Georg Mascolo bekräftigte in seiner Keynote:
„Journalismus missioniert nicht. Er informiert. Er hilft dabei, die Dinge zu verstehen. Was nicht immer heißt, auch Verständnis zu haben. Der Zugang zu verlässlichen Informationen ist in einer Gesellschaft so wichtig, wie der Zugang zu einem funktionierenden Gesundheitswesen oder sauberem Wasser.“
Mascolo plädierte dafür, durch eine Veränderung der Lehrpläne Fortschritte zu erzielen, vor allem durch verbindliche Lehrpläne für Informations- und Nachrichtenkompetenz und zitierte Bernhard Pörksen, der zum Tag der Pressefreiheit im vergangenen Jahr schrieb:
„Was muss eigentlich noch passieren, bevor eine lethargische Bildungspolitik – trotz des Desinformationsgewitters der Gegenwart aus ihrem Tiefschlaf erwacht?“
Die anschließende Podiumsdiskussion bestritten Stefanie Hubig, Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz, Manuel Hartung, Vorsitzender des Vorstands der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Hans-Jakob Erchinger, Lehrer und Lehrkräfte-Fortbilder beim Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) im Fachbereich Medienbildung, Fabian Schön, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz.
Hans-Jakob Erchinger machte auf das Angebot des Vereins Journalismus macht Schule aufmerksam, betonte dabei auch:
„Lehrkräfte sind teilweise schon recht gut gewappnet. Aber wir brauchen dringend Hilfe auf vielen Ebenen. Ich freue mich, dass die Journalist:innen ihre Hilfe anbieten. Diese Expertise, die die Journalistinnen haben, nutzen wir in Niedersachsen für Medienkompetenzfortbildungen, aber die Kolleginnen brauchen noch mehr.“
Fabian Schön forderte in diesem Zusammenhang:
„Wir als Bundesschülerkonferenz sind für verpflichtende Lehrerfortbildung im Bereich Digitalisierung. Aber Digitalisierung sind ja eben nicht nur die technischen Geräte, sondern auch die Medienbildung, die Medienkompetenzen, wozu dann natürlich auch die Informationskompetenzen gehören. Solange Lehrer im Raum Schule nicht weit genug gebildet sind, können es auch die Schüler nicht werden. Natürlich ist das ein Prozess und natürlich dauert das auch, bis es so weit ist. Aber vorübergehend könnte man auch auf Alternativen zugreifen.“
Alternativen seien Angebote wie die von Journalismus macht Schule, aber auch Initiativen wie die der Reporterfabrik von CORRECTIV, der Lie Detectors, #UseTheNews, und Angebote von Landesmedienanstalten oder Landeszentralen für politische Bildung, den öffentlich-rechtlichen sowie privaten Medien, Journalistenschulen und anderen außerschulischen Bildungseinrichtungen.
Stefanie Hubig sprach sich dafür aus, dass solche Angebote dauerhaft genutzt werden sollten:
„Aus meiner Sicht ist das Thema Medienbildung […] ganz unmittelbar zusammenhängend mit dem Thema Demokratiebildung. […] Außerschulische Partner […], wie Journalismus macht Schule brauchen wir, weil ich glaube, dass es bei Schülerinnen und Schülern einen viel höheren Impact hat, als wenn sich Lehrerinnen oder Lehrer hinstellen und was über Medien erzählen. Ich glaube, selbst Menschen in den Schulen zu haben, die aus ihrem Beruf und aus ihren Erfahrungen berichten, ist da der bessere Weg.“
Manuel Hartung gab zu bedenken, dass die größte individuelle Bedrohung für die Welt nach einer Studie des World Economic Forums in den nächsten zwei Jahren Desinformation und Misinformation sei, und zwar nicht nur für die junge Zielgruppe:
„Mich besorgt viel eher die Trennung zwischen den Generationen. Deswegen ist JmS ja auch so erfolgreich: Schule ist eine Institution, die verpflichtend für jeden ist. Dort kann man relativ viele Menschen erreichen. Was ist, wenn die Menschen in den ersten Berufsjahren sind, was ist, wenn die Menschen 40 sind und genauso mit Fake News und Desinformation konfrontiert sind? Wie schafft man es, die zu erreichen?“
Das Netzwerktreffen in Bildern
Alle Bilder zum Download finden Sie in unserem Pressebereich.
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Kamera und Schnitt: Manuel Kunst für JmS